Mythen-Tourismus eröffnet ungeklärte bürokratische Fragen

Alle in Wien kennen die Touristenmassen um die öffentlichen Brunnen und Teiche. Sie sind voll von den hoffnungsvollen Gesichtern derer, die darauf warten, eines der Wasserwesen zu sehen, die in Wiens künstlichen Gewässern heimisch sind. Die Wasserwesen, die am besten als sich zu Personen auswölbendem Wasser beschrieben werden können, zeigen sich nicht häufig und wollen nur ein wenig an der frischen Luft miteinander plaudern oder sich die Welt oberhalb ihres aquatischen Reiches anschauen und fühlen sich von dem „Mythen-Tourismus“ zunehmend gestört. Deshalb beschwerte sich jüngst eine Delegation von ihnen bei der Stadt Wien, indem sie vom Brunnen des Museumsquartiers aus Passanten baten, den Bürgermeister anzurufen oder ihm Emails zu schreiben. Der Bürgermeister habe sich sofort bereiterklärt, für den Schutz von Wiens ureigenen mythischen Wesen zu sorgen. Die Umsetzung scheint nun aber an bürokratischen Hürden zu scheitern. Ihr Schutz als Person erweist sich als unmöglich, da sie im System gar nicht als Personen erfasst sind. Wasserwesen sind nämlich nicht in Wien gemeldet bzw. besitzen gar nicht die österreichische Staatsbürgerschaft (oder irgendeine andere). Dies eröffnet nun eine neue Frage, die auch andere mythische Wesen in Wien betreffen. Unterliegen sie wie alle anderen Bürger Wiens der Meldepflicht? Für die lebendigen Gebäudestatuen scheint dies nicht von großer Bedeutung zu sein, da sie bereits an eine Wiener Adresse gebunden sind. Eine der Frauenstatuen am Palais Epstein gab sogar an, stolz zu sein, weil nun endlich ihre wichtige Aufgabe als Strukturträgerin gewürdigt werde. Schon schwieriger ist es mit den Waldgeistern im Prater. Sollte die Stadt es ermöglichen bei der Meldung den Heimatbaum anzugeben? Und wenn ja, müssten dazu Baumnummern im Prater vergeben werden? Noch desolater sieht die Situation bei den Flussjungfrauen im Donaukanal aus. „Wir leben nicht an einem fixen Standort“, verrät eine von ihnen, bei einem Interview an den Treppen zum Donaukanal neben der Salztorbrücke. „Mal verbringen wir längere Zeit in der Nähe der Wien-Donaukanal-Mündung neben der Urania, dann schwimmen wir mal nach Nußdorf oder lassen uns zur Erholung ganz hinab bis zum Praterspitz treiben. Eine Meldepflicht würde uns große Probleme bereiten, auch weil nicht alle Magistratischen Bezirksämter ausreichend barrierefrei für uns sind.“